G090
Carl Friedrich Abel, Zwei Berliner Sonaten für Viola da Gamba und Bass. WKO 149 G-Dur und WKO 150 e-moll. G090, 14,50.
In Ausgabe 59 der Viola da gamba-Mitteilungen beklagte ich, daß von
den reichlich 230 nachweisbaren Kompositionen Carl Friedrich Abels nur
ein geringer Teil allgemein zugängig ist und lediglich ein schmaler
Ausschnitt des uvres musiziert wird. Dank einer weiteren
Abel-Ausgabe von Edition Güntersberg können wir Gambisten unser
Repertoire nunmehr um zwei wohlklingende Sonaten erweitern. Güntersberg
hat sie als Berliner Sonaten bezeichnet. Der Titel ist selbstgewählt und
schlüssig. Die Satzfolge beider Sonaten, langsam – schnell – schnell,
ist ein Stilelement der Berliner Schule und findet sich beispielsweise
in Sonaten von C.Ph.E. Bach, J.G. Graun und Ch. Schaffrath wieder. Die
Überlieferung beider Werke in der Musiksammlung auf der Königlichen
Hausbibliothek im Schlosse zu Berlin ist darum nicht überraschend. Es
hat einige Wahrscheinlichkeit, daß Ludwig Christian Hesse oder sein
königlicher Schüler Friedrich Wilhelm II. diese Sonaten auf der Gambe
musiziert haben. Abel reiste nach Johann Christian Bachs Tode, über den
er ohne Zweifel schwer betroffen gewesen sein muß, von London nach
Deutschland (1782-1784) und gastierte u.a. mit großem Erfolg am
Potsdamer Hofe vor Kronprinz Friedrich Wilhelm. (Auch andere Gambisten
wie Hammer und Fiala
ließen sich vor Friedrich Wilhelm hören.) Der Besuch könnte den Anlaß
zur Komposition gegeben haben. Die Vermutung verstärkt sich angesichts
der Satzfolge langsam – schnell – schnell, die für Abels Kompositionen
untypisch ist. Für ein Gastgeschenk oder für Kompositionen während des
Aufenthaltes wiederum ist es naheliegend, dem Geschmack des Beschenkten
oder dem am Hofe vorherrschenden Gusto Tribut zu zollen. Auch die
ausdrucksstarken chromatischen Tonfolgen sind eher dem Berliner Stil als
Abels vorherrschendem Personalstil zuzuordnen. Zugleich weist Abel damit
auch seine Wandlungsfähigkeit nach.
Wie von Güntersberg-Editionen gewohnt, läßt auch diese Neuerscheinung nichts zu wünschen übrig. Zwei im Doppelsystem notierte Stimmhefte taugen sowohl für die im Vorwort favorisierte Aufführung ohne akkordisches Continuoinstrument als auch zum Musizieren mit einem Tasten- oder Lauteninstrument. Die Sologambenstimme kommt (wie bei Abel üblich) mit dem Umfang des sechssaitigen Instrumentes aus. (Thomas Gainsboroughs Gemälde bildet Abel deutlich erkennbar mit einem “Sechssaiter” und seinem Hund ab.) Eine Continuogambe hingegen benötigt den Tonumfang bis A.
Thomas Fritzsch
Viola da Gamba Mitteilungen Nr. 64 - Dezember
2006